Systemisches Coaching und Therapie verfolgen zwar ähnliche Ziele, aber ihre Herangehensweise, Dauer und Intensität unterscheiden sich erheblich.
Therapie ist oft notwendig, wenn tiefgehende psychische Belastungen, Traumata oder ernsthafte Symptome wie Angstzustände oder Depressionen vorliegen. Sie ist in der Regel ein langfristiger, intensiver Prozess, der sich auf die Aufarbeitung von belastenden Erfahrungen aus der Vergangenheit konzentriert. Der Fokus liegt darauf, die zugrunde liegenden emotionalen oder psychischen Probleme zu bearbeiten, um Heilung und psychische Stabilität zu erreichen.
Systemisches Coaching hingegen ist ein kürzerer, zielorientierter Prozess, der besonders präventiv wirkt und bei konkreten Lebensfragen oder Entscheidungsprozessen eingesetzt wird. Auch hier wird mit der Vergangenheit gearbeitet, aber der Hauptfokus liegt darauf, wie vergangene Erfahrungen das heutige Verhalten beeinflussen und wie man diese Einsichten für eine positive Veränderung in der Zukunft nutzen kann. Coaching zielt darauf ab, Aha-Momente zu schaffen und Impulse zu setzen, die den Klienten dazu anregen, neue Perspektiven zu entwickeln und konkrete Lösungen zu finden. Forschung zeigt, dass Coaching in kurzer Zeit zu merklichen Veränderungen führen kann. Eine Studie der International Coach Federation (ICF) belegt, dass Klient:innen nach Coaching-Prozessen in der Regel eine höhere Klarheit über ihre Ziele, ein besseres Selbstbewusstsein und eine gesteigerte Zufriedenheit erleben.
Die Beziehung im Coaching und in der Therapie ist in beiden Fällen von entscheidender Bedeutung. Die „Coaching-Alliance“, also die Beziehung zwischen Klient:in und Coach, wird in zahlreichen Studien als ein entscheidender Erfolgsfaktor für den Erfolg des Prozesses hervorgehoben. In der Therapie wird diese Beziehung oft als Grundlage für die Heilung betrachtet, während im Coaching die vertrauensvolle Partnerschaft dazu dient, die Eigenverantwortung des/der Klienten/in zu fördern und Veränderungsprozesse anzustoßen. Studien zeigen, dass eine starke, vertrauensvolle Beziehung zwischen Klient:in und Coach die Ergebnisse des Coaching-Prozesses erheblich verbessern kann (Graßmann, Schölmerich & Schermuly, 2020).
Methoden im Systemischen Coaching
Im Coaching werden verschiedene Methoden eingesetzt, um den Klient:innen dabei zu unterstützen, neue Perspektiven zu entwickeln und Lösungen zu finden. Zu den häufig verwendeten Methoden gehören:
- Skalierungsfragen: Diese Methode hilft, die eigene Situation oder das Fortschreiten eines Ziels auf einer Skala von 1 bis 10 einzuschätzen. So lässt sich feststellen, wie nahe man seinem Ziel ist und welche Schritte noch fehlen, um das Ziel zu erreichen. Sie fördert die Selbstreflexion und gibt Klarheit über den Fortschritt.
- Reframing: Dabei wird eine Situation oder ein Problem aus einer anderen Perspektive betrachtet. Ziel ist es, negative oder belastende Gedanken in ein positives oder hilfreiches Licht zu rücken. Reframing hilft dabei, neue Deutungen und Sichtweisen zu entwickeln, die den Klienten in ihrer Lösungskompetenz stärken.
- Ressourcenaktivierung: Diese Methode fokussiert sich darauf, bereits vorhandene Stärken und Fähigkeiten zu erkennen und zu nutzen. Dabei wird der Klient angeregt, über seine Erfolge und Ressourcen nachzudenken, um diese gezielt für die Lösung aktueller Probleme zu verwenden.
- Metaphernarbeit: Metaphern helfen dabei, komplexe, abstrakte Themen greifbar zu machen. Durch das Bildhafte und Symbolische können Klienten neue Sichtweisen entwickeln und sich von belastenden Mustern distanzieren. Oft werden Metaphern genutzt, um Veränderungsprozesse zu visualisieren oder eine Herausforderung aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
- Dialogische Reflexion: In dieser Methode wird der/die Klient:in dazu eingeladen, Gedanken und Emotionen zu äußern, während der/die Coach zuhört und reflektierend nachfragt. Diese Reflexion ermöglicht es dem/der Klienten/in, eigene Einsichten und Lösungen zu erlangen, ohne dass der/die Coach eine direkte Lösung vorgibt.
- Zukunftsorientierte Arbeit: Hier wird die Aufmerksamkeit auf die Zukunft gelenkt, um Klarheit über die nächsten Schritte zu gewinnen. Durch das Formulieren von konkreten Zielen und das Visualisieren von Zukunftsbildern wird dem/der Klienten/in geholfen, die Motivation zu steigern und konkrete Handlungen zu planen.
- Lösungsfokussierte Gesprächsführung: Diese Methode legt den Fokus auf Lösungen, nicht auf Probleme. Der/die Coach stellt Fragen, die den/die Klienten/in dazu anregen, über Lösungen nachzudenken und kleine, erreichbare Schritte zu definieren, um Veränderungen in Gang zu setzen.
Diese Methoden sind besonders effektiv im digitalen Setting, da sie sich gut in interaktive, virtuelle Formate integrieren lassen. Zum Beispiel können Skalierungsfragen oder Ressourcenaktivierung einfach per Videocall besprochen oder in Online-Tools wie interaktive Whiteboards integriert werden. Auch die Arbeit mit Metaphern oder das Visualisieren von Zielen lässt sich online gut umsetzen, um den Coaching-Prozess genauso wirkungsvoll und kreativ zu gestalten wie in Präsenzsessions.
Für wen eignet sich systemisches Coaching?
Systemisches Coaching eignet sich besonders für Menschen, die sich in einer Phase der Veränderung oder Neuorientierung befinden und aktiv Lösungen für konkrete Herausforderungen finden möchten. Es ist ein ideales Format für alle, die mehr Klarheit über ihre Ziele und Werte gewinnen, ihre Perspektiven erweitern und ihre Handlungsmöglichkeiten gezielt verbessern möchten. Coaching eignet sich außerdem für Menschen, die vor wichtigen Entscheidungen stehen, berufliche oder persönliche Veränderungen durchlaufen oder einfach einen Anstoß benötigen, um in ihrem Leben voranzukommen.
Systemisches Coaching ist jedoch auch ein wertvolles Präventionsinstrument: Es hilft, sich präventiv mit persönlichen Blockaden auseinanderzusetzen, bevor diese zu größeren Problemen werden. Das Coaching kann dabei helfen, Ressourcen zu erkennen, den eigenen Weg klarer zu definieren und Aha-Momente zu schaffen, die zu nachhaltigen Veränderungen führen.
Zusammengefasst: Während Therapie oft auf die tiefgehende Aufarbeitung von psychischen Problemen fokussiert und langwierig ist, bietet systemisches Coaching eine kürzere, präventive Lösung, die konkrete Lösungen für aktuelle Herausforderungen liefert und Aha-Momente sowie Impulse für positive Veränderungen schafft. Coaching hilft dir dabei, deine eigenen Ressourcen zu aktivieren und bietet dir die Möglichkeit, schnell Fortschritte zu machen – oft mit direkt spürbaren Ergebnissen. Dabei spielt die vertrauensvolle Beziehung zwischen Klient:in und Coach eine zentrale Rolle – auch im digitalen Setting, das genauso effektiv und interaktiv gestaltet werden kann wie eine Präsenzsitzung.
Quelle: Graßmann, C., Schölmerich, F., & Schermuly, C. C. (2020). The relationship between working alliance and client outcomes in coaching: A meta-analysis. Human Relations, 73(1), 35-58. https://doi.org/10.1177/0018726718819725